Das Antlitz eines Menschen, egal in welchem Alter er ist, ganz gleich, in welcher mimischen Situation er sich gerade befindet, ist ungemein faszinierend, und wohl niemand kann sich diesem Faszinosum entziehen. Fotoschnappschüsse sind oft, gerade weil sie zufällig entstehen, sehr aussagekräftig und typisch für den Abgebildeten, aber sie haben mit einem gezeichneten oder gemalten Porträt nichts gemein, und diese Nichtvergleichbarkeit trifft ganz besonders auf ein Selbstporträt zu. Denn während die im Foto festgehaltene Mimik eines Gesichts die zufällige Einmaligkeit des Augenblicks wiedergibt, stellt ein Selbstporträt einen langwierigen Prozess eines Ichs mit sich selbst in einer langanhaltenden Auseinandersetzung dar. Es geht ja nicht in erster Linie um die Wiedergabe der Ähnlichkeit, die der Spiegel vorgibt, es geht vielmehr um die Aussagekraft der eigenen Interpretation innerer Identität oder auch Nicht-Identität eines Zustands seiner selbst. Der Impetus, sich selbst darzustellen, generiert sich nicht von jetzt auf gleich, sondern ist vielmehr ein Bemühensprozess, dem eine jeweils existenzielle Frage zugrundeliegt.
Wille Schenk hat sich natürlich auch für die Gesichter seiner ihn umgebenden Menschen interessiert; es gibt eine Fülle von Porträts anderer Personen. Ein Doppelporträt zweier Königsberger Straßenjungen in voller Körpergröße (WV 45) war Anlass für Lovis Corinth, dieses Ölbild Wille Schenks 1924 in der Berliner Secession auszustellen, woraus sich über mehrere Jahre hinweg weitere Ausstellungen sowohl in der Secession als auch in der Berliner Akademie der Künste ergaben. Hier ein Scharz-Weiß-Foto; das Original existiert nicht mehr.
Insgesamt gibt es zu diesem Werkkomplex 42 Selbstporträts und 48 Porträts von anderen Personen.
Selbstporträts
Porträts von anderen Personen